Ladeinfrastruktur wird zum Milliardenmarkt Bain-Studie zur Elektromobilität Umsätze rund um Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge steigen allein in Europa bis 2030 um das Sechsfache  Aufbau von Schnellladestationen steht aktuell im Fokus, auf mittlere Sicht haben Smart Energy Services großes Potenzial  Fünf verschiedene Ladeoptionen erfordern unterschiedliche Geschäftsmodelle Potenzielle Anbieter müssen Nutzerbedürfnisse frühzeitig erkennen und zügig handeln   Wien, 11. November 2022. Weltweit weiter steigende Zulassungszahlen von E-Autos und das kürzlich beschlossene Aus für Verbrenner in der EU ab 2035 tragen dazu bei, den Wandel hin zu Fahrzeugen mit Elektroantrieb noch einmal zu beschleunigen. Dies erfordert einen zügigen Ausbau der Ladeinfrastruktur. In ihrer Studie „Electric Vehicle Charging Shifts into High Gear” analysiert die internationale Unternehmensberatung Bain & Company die Ladeoptionen für E-Auto-Nutzerinnen und -Nutzer und zeigt auf, wie sich potenzielle Anbieter im Milliardenmarkt der Zukunft erfolgreich positionieren können.   Tankstellen in neuem Gewand reichen nicht aus   „Die Märkte von morgen werden heute verteilt“, betont Dr. Eric Zayer, Bain-Partner und Co-Autor der Studie. Deshalb haben Automobilhersteller und -zulieferer sowie Elektrizitätsunternehmen, aber auch Öl- und Gaskonzerne bereits damit begonnen, sich gemeinsam mit Partnern die besten Standorte zu sichern und digitale Plattformen aufzubauen. „Viele Unternehmen wollen an dem Boom partizipieren, der rund um die Ladeinfrastruktur für E-Autos einsetzen wird.“ Tatsächlich werden nach Bain-Analysen die Umsätze in diesem Bereich allein in Europa bis zum Jahr 2030 auf 40 bis 55 Milliarden Euro steigen. Derzeit sind es 7 bis 8 Milliarden Euro. Der Gewinn wiederum dürfte sich auf bis zu 5 Milliarden Euro belaufen. Noch höher werden die Umsätze in den USA ausfallen. Bis zum Ende der Dekade werden dort 53 bis 70 Milliarden Euro erwartet (Abbildung).   Das meiste Geld wird zunächst in den Aufbau von Schnellladestationen in verkehrsreichen Regionen fließen. Dabei sollte es allerdings nicht allein um Tankstellen in neuem Gewand gehen. „Viele Fahrerinnen und Fahrer von E-Autos bevorzugen im Alltag das Laden zu Hause oder am Arbeitsplatz und benötigen Schnellladestationen vor allem auf langen Strecken“, erklärt Dr. Klaus Stricker, Bain-Partner im Wiener Büro und Co-Leiter der weltweiten Praxisgruppe Automotive und Mobilität. „Welche Lademöglichkeiten sich wo durchsetzen, wird von der vorherrschenden Wohnsituation und der nationalen Regulierung abhängen, aber auch von den individuellen Präferenzen der Nutzerinnen und Nutzer sowie dem jeweiligen Fahr- und Ladeverhalten.“   E-Fahrzeuge werden zu Energiespeichern und -spendern   Mittelfristig werden diejenigen Lösungen von großer Bedeutung sein, bei denen das Aufladen von Fahrzeugen mit intelligenten Energiedienstleistungen der nächsten Generation verknüpft ist. Auf solche Smart Energy Services dürfte 2030 bereits etwa ein Drittel des weltweiten Gewinns entfallen. Im Fokus stehen sogenannte Vehicle-to-Grid- und Vehicle-to-Home-Konzepte. Dabei geht es im Kern darum, dass Fahrzeuge nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern diesen auch speichern und wieder abgeben können. „Die Batterien von Elektrofahrzeugen werden sich zu einem wichtigen Zwischenspeicher entwickeln, um Angebot und Nachfrage bei der stark schwankenden regenerativen Stromerzeugung auszugleichen“, so Stricker.   Vorreiter entwickeln klare Handlungsszenarien   Aus Sicht von Bain werden fünf verschiedene Lademöglichkeiten beim Ausbau der entsprechenden Infrastruktur eine zentrale Rolle spielen, was wiederum passende Geschäftsmodelle nötig macht: Laden unterwegs. Der Aufbau von Schnellladestationen erfordert hohe Investitionen, die sich auf bis zu 150.000 Euro belaufen können. Damit die Stationen auf breite Akzeptanz stoßen und sich so die Ausgaben rechnen, bedarf es eines zuverlässigen und zügigen Ladevorgangs, gut gewählter Standorte sowie zusätzlicher Services, beispielsweise WiFi oder eine Überdachung. Laden am Zielort. Auch an hoch frequentierten Standorten wie Supermärkten und Restaurants muss ein störungsfreies Laden mit der jeweils passenden Geschwindigkeit zu wettbewerbsfähigen Preisen gewährleistet sein. Laden daheim. Eine einfache Installation der Ladelösung zu Hause sowie attraktive Tarife in Verbindung mit einem Stromvertrag und Smart-Home-Angeboten sind wichtige Voraussetzungen, damit sich Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer verstärkt für E-Fahrzeuge entscheiden.  Laden am Arbeitsplatz. Dies dürften viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten schon in wenigen Jahren ermöglichen. Um als Anbieter zu punkten, braucht es einfache Betriebsmodelle und günstige Preise. Smart Energy Services. Energiekonzerne werden auf Anbieter von Smart Energy Services setzen, die ihnen einen verlässlichen Zugang zu einer hohen Zahl parkender Fahrzeuge verschaffen können. Das größte Potenzial gibt es rund um Büros und Fabriken sowie in Wohngebieten.    Bain-Partner Zayer resümiert: „Unabhängig von den aktuell steigenden Stromkosten ist der Trend hin zu batterieelektrischen Fahrzeugen ungebrochen. Wer in das Ökosystem rund um die Ladeinfrastruktur für E-Autos investieren will, muss den Markt genau analysieren, Chancen erkennen und konkrete Handlungsszenarien entwickeln.“ Und er fügt hinzu: „Zu den Gewinnern werden diejenigen gehören, die frühzeitig erkennen, welche Fahrerinnen und Fahrer künftig welche Ladepunkte nutzen werden und welche Services sie dort erwarten.“