25 Jahre Die Tafel Österreich: Politischer Schulterschluss gefordert Geschäftsführerin Alexandra Gruber zieht zum Jubiläum Bilanz, zeigt – mit internationaler Unterstützung – Herausforderungen und künftige Lösungsansätze auf und formuliert konkrete Forderungen an die künftige Regierung.   Wien, 9.9.2024 – Rund ein Drittel aller Lebensmittel wird in Österreich weggeworfen. Gleichzeitig leiden rund 12 Prozent der österreichischen Bevölkerung – das sind 1,1 Millionen Menschen – unter Ernährungsarmut, 420.000 davon schwer. 13 Prozent haben Sorge, dass ihre Kinder nicht genug zu essen haben.*   Diese Kluft zwischen Überfluss und Bedarf bekämpft Die Tafel Österreich seit 1999: Sie rettet Lebensmittel und gibt diese kostenfrei an armutsbetroffene Menschen in Sozialeinrichtungen weiter.   Alexandra Gruber, Geschäftsführerin Die Tafel Österreich: „Am 9.9.1999 wurde Österreichs größte und älteste Tafel gegründet. Exakt 25 Jahre später hat unsere Mission nichts an Relevanz eingebüßt – im Gegenteil. Nur: Trotz vieler Erfolge werden die Herausforderungen mehr statt weniger. Wir fordern daher konkrete Maßnahmen und Unterstützung der Politik. Wir müssen nur über den Tellerrand blicken: auf Best-Practice-Ansätze anderer Länder. Warum lernen wir nicht von den Besten?“   Mission Win-win-win: Meilensteine aus 25 Jahren Was als Initiative von vier Studierenden unter dem Namen „Wiener Tafel“ begann, ist zur Sozialspedition mit einem multiprofessionellen Team herangewachsen. In den letzten fünf Jahren konnte die Menge der geretteten und verteilten Lebensmittel verdoppelt werden. 2023 waren es erstmals über 1.000 Tonnen, heuer werden es bereits ca. 1,2 Mio. Kilogramm sein. In 25 Jahren wurden mehr als 10 Mio. Kilogramm genussfähige Lebensmittel vor der Entsorgung bewahrt.   Auch die Zahl der versorgten Personen und Einrichtungen hat sukzessive zugenommen: Über 35.000 armutsbetroffene Menschen (+25 % gegenüber 2022) in mehr als 100 sozialen Einrichtungen, die professionell angeleitete Wege aus der Not bieten, hat Die Tafel Österreich im letzten Jahr kostenfrei versorgt. Innerhalb nur eines Jahres wurde – auch durch das seit 2023 verstärkte Engagement in den Bundesländern – diese Zahl bereits auf bis zu 55.000 Personen in rund 150 Einrichtungen ausgeweitet.   Durch diese Mission werden neben dem sozialen Aspekt ökologische Ressourcen geschont und auch ökonomisch ergeben sich klare Vorteile, da die Menge an Müll im Handel und die damit verbundenen Ausgaben deutlich reduziert werden können – somit ergibt sich eine Win-win-win-Situation.   Zukunft der Tafelarbeit: Politisches Commitment als Grundvoraussetzung Um dem stark steigenden Bedarf trotz teils signifikant sinkender Warenspenden aus Handel und Produktion gerecht werden zu können, braucht es bessere Rahmenbedingungen für die karitative Lebensmittelrettung. Hier ist die künftige Regierung gefragt: „Neben einem Schulterschluss der betreffenden Ministerien fordert Die Tafel Österreich Förderungen zur Rettung vorhandener Lebensmittelüberschüsse aus der Landwirtschaft sowie verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen für eine sichere Lebensmittelweitergabe“, so Alexandra Gruber.   Die Ergebnisse einer durchgeführten Parteienbefragung stimmen die Geschäftsführerin vorsichtig positiv. Immerhin sehen alle befragten Parteien Handlungsbedarf im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Fast alle stimmen dem auch in Bezug auf Ernährungsarmut zu. Tafel-Chefin Gruber wünscht sich auch einen holistischeren Blick auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit: „Wir als Tafel Österreich würden es sehr begrüßen, wenn die künftige Regierung den Stellenwert nachhaltigkeitsorientierter Lebensmittelrettung entsprechend fördert, da damit zeitgleich auf mehrere SDGs eingezahlt wird.“   Lernen von den Besten An der Jubiläums-Pressekonferenz der Tafel Österreich nahmen auch Vertreter:innen aus dem 30 Länder umfassenden europäischen Tafelnetzwerk FEBA (European Food Bank Federation) teil. „Wir glauben an starke europäische Partnerschaften“, hält FEBA-Vizepräsident Lindsay Boswell (UK) fest. Marco Koppe von Tafel Deutschland e.V. ergänzt: „Seit 25 Jahren kooperieren wir über die Landesgrenzen hinaus mit unseren Kolleginnen und Kollegen von Die Tafel Österreich. Im gegenseitigen Austausch lernen und profitieren beide Seiten voneinander.“   Doch nicht nur dieser europäische Schulterschluss ist als Best Practice zu werten – auch ganz konkrete Erfolgskonzepte können als Vorbilder dienen. So gibt es in Großbritannien etwa bereits zukunftsweisende Lösungen zur Lebensmittelrettung aus der Landwirtschaft (z. B. das Food Coronation Project, das anlässlich des 75. Geburtstags von König Charles III initiiert wurde). Deutschland kann hinsichtlich Bewusstseinsbildung gegen Lebensmittelverschwendung und Digitalisierung als Role Model dienen. Und Italien bietet ein Best Practice zur rechtlichen Vereinfachung der karitativen Lebensmittelweitergabe. Gemeinsam mit Werner Wutscher (CEO und Gründer von New Venture Scouting) wurden die Umsetzungspotenziale dieser Erfolgskonzepte in Österreich erörtert.   „Um Lebensmittelverschwendung und Armut auch in Zukunft zu bekämpfen, muss man das Rad nicht neu erfinden. Im europäischen Tafelverband zeigt sich, dass Austausch und Kooperation viel bewirken können. Wir hoffen künftig auch auf einen Schulterschluss der Politik, um die Zukunft der karitativen Lebensmittelrettung abzusichern und die Rahmenbedingungen zu verbessern“, meint Alexandra Gruber, Geschäftsführerin Die Tafel Österreich.     *Quellen: Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft, Gesundheit Österreich GmbH