World Sepsis Day: LBI für Traumatologie deckt Blutvergiftungs-Mythen auf und versucht Langzeitfolgen der Erkrankung zu minimieren Sepsis, im Volksmund auch Blutvergiftung genannt, ist die schwerste Komplikation einer Infektion und jährlich Todesursache für mehr als 7.500 Menschen in Österreich. Anlässlich des World Sepsis Day am 13. September klärt das Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie über Mythen und tatsächliche Symptome auf und informiert über die oft unterschätzten Langzeitfolgen.   Wien, 11. September 2024 – Am 13. September ist Welt-Sepsis-Tag. Eine Sepsis entsteht, wenn die körpereigenen Abwehrsysteme eine Infektion nicht mehr lokal begrenzen können. Das Immunsystem „überschießt“ und ruft eine hochgradige Entzündung im ganzen Körper hervor. Die körpereigenen Abwehrreaktionen richten sich nun nicht mehr ausschließlich gegen die Infektionserreger, sondern gegen alles, was ihnen in die Quere kommt -  auch die körpereigene Gewebe und Organe. Unbehandelt endet eine Sepsis fast immer tödlich durch multiples Organ- und Kreislaufversagen. Je früher sie erkannt wird, desto höher sind die Überlebenschancen. Das Sepsis-Trauma-Schock Team des Ludwig Boltzmann Instituts für Traumatologie, das Forschungszentrum in Kooperation mit der AUVA (LBI Trauma) widmet sich der Früherkennung von Sepsis ebenso wie dem besseren Verständnis ihres Verlaufs und dem frühzeitigen Erkennen und Behandeln ihrer Spätfolgen. Denn auch nach überstandener Sepsis ist für viele Patient:innen nichts so, wie es einmal war.   Jeder fünfte Überlebende einer Sepsis wird innerhalb von 30 Tagen nach der Entlassung von der Intensivstation erneut stationär behandelt, und etwa drei Viertel der Überlebenden entwickeln ein komplexes Krankheitsbild, dass sich PICS nennt, kurz für Persistent Inflammation, Immunosuppression, and Catabolism Syndrome, also eine dauerhafte Störung von Entzündungsvorgängen, Immunabwehr und Stoffwechsel. Im Rahmen des internationalen Projekts BEATsepsis arbeitet das LBI Trauma daran, die Entstehung von PICS frühzeitig zu erkennen und im besten Fall auch behandeln zu können. In Österreich erkranken laut Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz pro Jahr etwa 28.000 Menschen an einer Sepsis, rund jede:r vierte Betroffene (7.500 Menschen) stirbt. Auf europäischer Ebene werden pro Jahr rund 600.000 Todesfälle verzeichnet.   BEATsepsis: diagnostischer Fingerabdruck als Lebensretter BEATsepsis, ein europaweites Projekt mit Teams aus elf Einrichtungen (darunter Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen) in sechs Ländern, widmet sich den Langzeitfolgen einer Sepsis. Das LBI Trauma misst dafür Entzündungsmarker im Blut, um eine Art „diagnostischen Fingerabdruck“ zu erstellen. Ziel ist es, im Laufe des Projekts Korrelationen zwischen Krankheitsmarkern und dem Risiko von Langzeitfolgen (PICS) zu ermitteln. BEATsepsis leistet mit dieser Untersuchung einen wichtigen Beitrag, um die Entwicklung einer Sepsis-Erkrankung bereits frühzeitig einordnen und entsprechende (präventive) medizinische Maßnahmen einleiten zu können.   „Unser Ziel am LBI Trauma ist es, dieses Verfahren an das Krankenbett aller Betroffenen zu bringen und das Bewusstsein der Ärtz:innen für atypische Sepsis-Symptome und auffällige molekulare Mechanismen zu schärfen“, erklärt Prof. Dr. Marcin Osuchowski, Gruppenleiter am Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie, das Forschungszentrum in Kooperation mit der AUVA. Ein Bestreben, welches laut dem Forscher mit Herausforderungen verbunden ist: „Wir sehen bei unseren Patient:innen, dass sich molekulare Mechanismen durch ihre Vielfältigkeit und dynamische Veränderungen im Krankheitsverlauf auszeichnen.“ Eine umso wichtigere Rolle kommt daher dem interdisziplinären, europaweiten Austausch zu: „Dass wir im Rahmen unseres internationalen Netzwerkes die Möglichkeit haben, uns über solche Fälle auszutauschen, ist für die Weiterentwicklung des Projekts und die daraus resultierenden Behandlungsansätze für unsere Patient:innen von enormer Bedeutung“, so Prof. Dr. Marcin Osuchowski.   Mythos vs. Realität – zur realitischen Einschätzung vermeintlicher Sepsis-Symptome Auch Sepsis-Aufklärung gehört zum erklärten Ziel des BEATsepsis Projektes. Denn obwohl jährlich doppelt so viele Menschen an Sepsis versterben wir an einem Herzinfart, wird Sepsis oft missverstanden und zu spät erkannt – mit tödlichen Folgen. „Wir sehen einen großen Aufklärungsbedarf hinsichtlich altbekannter Sepsis-Mythen und tatsächlichen Symptomen einer Sepsis-Erkrankung“, so Prof. Dr. Osuchowski. „Der World Sepsis Day ist für uns daher ein sehr wichtiger Anlass, um die gesamte Bevölkerung über tatsächliche Symptome zu informieren und so zukünftig die Anzahl spät erkannter Infektionen zu minimieren“. Um eine vertrauensvolle und belastbare Einschätzung verschiedener Sepsis-Symptome vornehmen zu können, ordnet das LBI Trauma die bekanntesten Vermutungen für die breite Masse der Gesellschaft ein:   Mythos 1: Sepsis erkennt man am roten Strich auf der Haut Der Mythos des roten Strichs, der sich langsam ausbreitet und zum Tod führt, sobald er das Herz erreicht, ist nicht zwangsläufig korrekt. Grundsätzlich zeigt der rote Strich an sich eine Entzündung der darunter liegenden Lymphbahn an und kann, aber muss nicht, mit einer Sepsis einhergehen. Die meisten Sepsis-Erkrankungen verlaufen ohne den bekannten roten Strich. Stattdessen äußert sich eine Blutvergiftung durch Verwirrtheit, eine schnelle, schwere Atmung, einen stark erhöhten Puls und Blutdruckabfall, kalte, marmorierte Haut an Armen und Beinen und schweres Krankheitsgefühl.   Mythos 2: Verletzungen sind immer der Ursprung einer Blutvergiftung Allein schon die Bezeichnung „Blutvergiftung“ ist hier irreführend und soll laut Expert:innen vermieden werden. Der damit einhergehende Mythos ist nämlich: um eine Sepsis zu bekommen, muss man sich verletzt haben. Das ist falsch. Die Mehrzahl aller Sepsis-Erkrankungen treten in Folge von Infektionen innerhalb des Körpers auf, zum Beispiel nach Lungen- oder Harnwegsinfekten.   Mythos 3: Wer eine Sepsis überstanden hat, ist wieder ganz gesund Weiterhin gibt es in der Gesellschaft kaum Bewusstsein dafür, welch langfristige Folgen eine Sepsis haben kann. Viele der Erkrankten leiden oftmals langfristig an Symptomen wie anhaltender Müdigkeit, sensorischen Störungen, Funktionsstörungen von Herz und Nieren oder gar einem erneuten Aufflammen der Sepsis. Nach der ersten Erleichterung über das Überleben folgen Schrecken und Unverständnis über die nun veränderten Lebensumstände. Durch mehr Bewusstsein und einen offenen Dialog können Patient:innen und ihre Familien sich besser darauf einstellen und sich gezielt Hilfe suchen.   LBG fördert auch nationale Projekte zur Nachsorge von Intensivpatient:innen Hilfe, die sie beispielsweise im Wiener AKH finden. Dort widmet sich sogar eine eigene PICS-Studienambulanz der optimalen, interdisziplinären Nachsorge von Intensiv-Patient:innnen und Sepsis-Überlebenden. Bei ihrer Gründung war die Ludwig Boltzmann Gesellschaft maßgeblich beteiligt, in enger Zusammenarbeit mit einem Team vom LBI Digital Health and Patient Safety und der MedUni Wien. Das Open Innovation in Science Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG OIS) finanzierte die zur Entwicklung des Projekts notwendigen Co-Creation-Workshops und leistet somit sowohl national als auch international einen zentralen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Patient:innen mit Sepsis-Langzeitfolgen.