- Jährlich fehlen rund 1,1 Billionen US-Dollar, um den Übergang hin zu nachhaltigen und resilienten Produktionsmodellen voranzutreiben
- Neue Finanzierungsmodelle wie Multi-Stakeholder-Plattformen, gezielte Kreditvergabe und Impact-Initiativen senken Investitionsbarrieren
- Fünf Handlungsfelder zeigen, wie Investoren gezielt Wirkung und Rendite verbinden können
Wien, 04. August 2025. Die globalen Agrar- und Ernährungssysteme benötigen bis 2030 jährliche Investitionen von rund 1,1 Billionen US-Dollar, um die Transformation hin zu nachhaltigen und resilienten Produktionsmodellen zu ermöglichen, Beschäftigung zu sichern sowie die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Aktuell liegt das Investitionsvolumen pro Jahr jedoch bei lediglich fünf Prozent des erforderlichen Betrags. Das hat die Studie „
Putting Food on the Balance Sheet: Financing Strategies to Scale Investment in Food Systems Transformation“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company und des Weltwirtschaftsforums (WEF) ergeben. Um den Kapitalfluss deutlich zu erhöhen, sind daher innovative Finanzierungsmechanismen gefragt.
Regionen mit hohem Bedarf bleiben unterfinanziertDer Großteil privater Investitionen in Ernährungssysteme konzentriert sich derzeit auf Europa und Nordamerika – während Regionen mit dem größten Bedarf, wie Asien-Pazifik, Afrika und Lateinamerika, weiterhin unterversorgt bleiben. „Die Transformation der Ernährungssysteme ist nicht nur eine klimapolitische Notwendigkeit – sie stellt auch eine wirtschaftliche Chance für Finanzinstitute dar. Wer im Lebensmittelsektor engagiert ist, hat ein direktes Interesse daran, die Kreditrisikoprofile seiner Kundschaft zu verbessern und auch neue Ertragsquellen zu erschließen“, erklärt Bain-Partner Dr. Christian Graf, der in der Praxisgruppe Finanzdienstleistungen den Bereich Sustainability & Responsibility in der EMEA-Region leitet. „Investitionen in Ernährungssysteme ermöglichen es ihnen zudem, strengeren Nachhaltigkeitsvorgaben auf Portfolioebene gerecht zu werden und zentrale Zusagen gegenüber ihren Stakeholdern einzuhalten.“
Zu den zentralen Herausforderungen zählen derzeit unklare Renditeerwartungen, eine fragmentierte Struktur mit zahlreichen kleinen und heterogenen Betrieben, fehlende Wirkungstransparenz sowie mangelnde Koordination entlang der Wertschöpfungskette. Um diese Hürden zu überwinden, sind neue Finanzierungsansätze gefragt. Sie müssen Kapitalquellen erschließen und gezielt in die nachhaltige Transformation der Ernährungssysteme lenken. Für Investoren eröffnet sich damit ein vielversprechendes Feld – etwa durch den Zugang zu neuen Märkten, zusätzliche Erlösmodelle sowie robustere und zukunftsfähige Portfolios mit langfristigem Wachstums- und Stabilitätspotenzial.
Innovative Finanzierungsmodelle eröffnen neue WegeAngesichts der Vielfalt der Ernährungssysteme und der unterschiedlichen Ausgangslagen von Finanzinstituten gibt es jedoch keine Universallösung. Die Studie von Bain und dem WEF konzentriert sich auf die Finanzierung der Transformation – vorrangig durch Kreditvergabe – und erkennt zugleich die Bedeutung ergänzender Instrumente wie Versicherungen an. Die vorgestellten Finanzierungsmodelle lassen sich in drei Kategorien einteilen: direkte Finanzierung von Landwirtinnen und Landwirten, Kreditvergabe über Unternehmen sowie Multi-Stakeholder-Plattformen – alle mit dem Ziel, Investitionsbarrieren zu senken. Diese Modelle spiegeln die Bandbreite an Innovationen über Märkte, Agrarrohstoffe und Risikominimierungsstrategien hinweg wider und zeigen die mannigfaltigen Wege zur Umgestaltung der Finanzierungslandschaft im Ernährungssystem auf.
Initiativen wie beispielsweise Aceli Africa, Project Acorn, das Programm für regenerative Landwirtschaft von McCain sowie die IFACC-Plattform (Innovative Finance for the Amazon, Cerrado and Chaco) zeigen laut der Studie, wie kommerzielle, philanthropische und öffentliche Mittel wirkungsvoll gebündelt und für skalierbare Veränderungen genutzt werden können. Entscheidend für den Erfolg dieser Initiativen ist ein koordiniertes Zusammenspiel entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Landwirtinnen und Landwirten über Unternehmen und Finanzakteure bis hin zu politischen Entscheidungsträgern und Datenplattformen.
Fünf strategische Handlungsfelder für KapitalgeberFür eine erfolgreiche Transformation der Ernährungssysteme haben Bain und das WEF im Rahmen ihrer Studie fünf zentrale Handlungsfelder ausgemacht. Erstens gilt es, klare Investitionsziele zu definieren und skalierbare, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle zu identifizieren – abgestimmt auf das bestehende Portfolio und die jeweiligen unternehmensinternen Kompetenzen. Zweitens sollten strategische Partnerschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufgebaut werden, etwa mit Kapitalgebern, Unternehmen oder der Landwirtschaft, um Synergien zu schaffen und die Wirkung zu verstärken. Drittens ist es entscheidend, innovative und risikoarme Finanzierungsmechanismen zu entwickeln und umzusetzen, um zusätzliche Kapitalquellen zu erschließen. Viertens müssen Kreditrisiken gezielt gesteuert werden, insbesondere durch den Einsatz neuer Datensätze und verbesserter Analysemethoden zur Bewertung klimabezogener Auswirkungen. Und nicht zuletzt ist die langfristige Unterstützung durch das Top-Management unverzichtbar, um die nötige Verbindlichkeit und Priorisierung auf Führungsebene sicherzustellen.
„Die Transformation der Ernährungssysteme eröffnet privaten Kapitalgebern bedeutende Investitionschancen – etwa durch den Zugang zu neuen Märkten, zusätzliche Erlösquellen und eine höhere Resilienz des Portfolios“, betont Bain-Partner Graf. „Um solche Investitionen jedoch im großen Maßstab umzusetzen, ist eine maßgeschneiderte Strategie erforderlich, die sich an den individuellen Stärken, dem Portfolio, der Risikobereitschaft und den Nachhaltigkeitszielen des jeweiligen Instituts orientiert.“